3 Thesen für eine Verknüpfung sozialer Kämpfe: Bildungskrise, Krise der Arbeit, ökologische Krise – Bericht vom “Bildungsfestival” in Kassel, 8.Juni

KriSU wird immer wieder zu Veranstaltungen eingeladen, so auch zum Bildungsfestival der Kritischen Uni Kassel (KuK). Die KuK ist eine der KriSU vergleichbare Initiative, die für selbstverwaltete und emanzipatorische Bildung eintritt und die Trennung zwischen Universität und Gesellschaft aufweichen will. Andreas von der KriSU war auf einem Podium mit dem Titel "Es geht ums Ganze!", zusammen mit einem Vertreter der Asta Jan Beberweyk und einem Aktivisten der Freien Arbeiter_innen-Union FAU, Kersten Cohrs.
Die Fragestellung war, welcher Zusammenhang zwischen den Krisen am Arbeitsmarkt, im Bildungssystem und auf ökologischer Ebene besteht und wie die Kämpfe in den jeweiligen Bereichen zusammengeführt werden können.

Hier der Input von Andreas und nachfolgend einige Thesen, die sich aus der Debatte ergaben.

In der Debatte um den Klimawandel ist zuerst einmal die Frage zu stellen, ob mit dem "Klimawandel" überhaupt das richtige Problem gestellt wird. Wenn man betrachtet, wie der Klimawandel verhandelt wird, sind einige Aspekte augenfällig: soziale Ungleichheiten werden im Bild der "Menschheitskatastrophe" unter den Tisch gekehrt; vermeintliche Lösungen werden vor allem technisch und marktbasiert gedacht; ihre Aushandlung soll vor allem zwischen den Staaten, die Umsetzung top-down erfolgen; zentral ist die Annahme einer "win-win"-Situation zwischen Lohnabhängigen und Kapitalisten (durch "ökologisches Wachstum"), zwischen globalem Norden und Süden (durch "Technologietransfer"); Fortschritte in der Klimafrage werden vor allem von Verhandlungen erwartet.

Daran ist zu erkennen, dass der Klimawandel als Debatte ein sehr spezifischer Rahmen für eine kapitalismuskompatible Bearbeitung der ökologischen Frage ist.

Tatsächlich wäre der Klimawandel in einem ersten Schritt als ein Problem der fossilen Ressourcenbasis der kapitalistischen Produktionsweise zu thematisieren, die Ungleichheit voraussetzt und reproduziert, einer irrationalen und selbstzweckhaften Dynamik unterliegt –
rücksichtslos gegenüber Mensch und Natur: "System Change, Not Climate Change".

Diese Ressourcenbasis kommt nicht nur auf der Output-Seite (Treibhausgasemissionen) unter Druck, sondern mehr noch auf der Input-Seite (Peak Oil etc.). Sie ist selbst eng mit der kapitalistischen Produktionsweise verwoben, insofern die fossilen Ressourcen strukturell den Anforderungen des Kapitals entsprechen: hohe Energiedichte, leichte Transportier- und Speicherbarkeit, vielseitige Verwendbarkeit, (bis vor kurzem) unbeschränkt ausdehnbarer Nachschub, (abnehmende, aber bis dato) hohe Nettoenergieausbeute. Das Kapital kann schon
allein deshalb nicht ohne Weiteres auf eine andere Ressourcenbasis umschwenken.

Sich allein auf den Klimawandel einzuschränken, würde der komplexen Problemlage in den gesellschaftlichen Naturverhältnissen nicht gerecht. Das zeigt sich in der Ernährungskrise, die sich u.a. in einer deutlichen Zunahme der Hungernden weltweit äußert. Die Ernährungskrise verschärfte sich mit den Preissteigerungen bei Lebensmitteln 2008. Diese waren auf ein Set an Bedingungen zurückzuführen, die mit den sich andeutenden (fossilen) Ressourcenverknappungen zusammenhängen (Preissteigerungen bei Düngemitteln und Treibstoff für
landwirtschaftliche Maschinen), dem Klimawandel (Ernteeinbußen) und der
kapitalistischen Reaktion auf beide Faktoren (Förderung der Produktion von Agrofuels,
die in Konkurrenz mit der Lebensmittelproduktion steht). Die Wirtschaftskrise schließlich führt dazu, die Klima- und Energiekrise "in Wert zu setzen", und dem Verfall der Wertpapierkurse zu entkommen, indem seit 2008 eine beschleunigte Aneignung von Land im globalen Süden erfolgt
(Stichwort "Land Grabbing"), was die Ernährungssouveränität weiter einschränkt.

Es zeigt sich also, dass die gegenwärtigen Krisen (Kapital und Arbeit, Klima, Energie, Ernährung) komplex vermittelt sind. Die Bildungskrise steht dazu in keinem unmittelbaren Zusammenhang. Allerdings äußert sich in der Bildungskrise, die (im Unterschied zur Krise des Kapitals) keine "objektive Krise" darstellt, sondern eine Krise der Legitimität des neoliberalen Bildungssystems, neben anderen Motiven der Wunsch nach Autonomie.
Dieses Motiv ist wichtiger Bestandteil von emanzipativen Ansätzen zur Lösung der Klima- und Energiekrise sowie der Ernährungskrise.

Paradigmatisch vertritt einen solchen Ansatz die Kleinbäuerinnen und -bauernvereinigung Via Campesina"; im Konzept der Ernährungssouveränität. Dabei geht es um die Forderung nach Selbstbestimmung der Ernährung durch die unmittelbar Produzierenden und die Konsumierenden. "Via Campesina" schlägt auch eine Brücke zum Bildungs- und Wissenschaftssystem, indem sie Forschung zugunsten kleinbäuerlicher Produktionsweisen einfordert, nicht zuletzt im Sinne der Anpassung an den Klimawandel und der Entkoppelung des Ernährungssystems von den fossilen Ressourcen. Der Bezug zur Ernährung und die Art ihrer Thematisierung erlaubt vielen gesellschaftlichen Schichten und Akteur_innen die Solidarisierung mit "Via Campesina" weit über den Kreis der Kleinbäuerinnen und -bauern hinaus.

Die Debatte nach den 3 Inputs führte abschließend zur Frage, welche gemeinsamen Strategien nun gangbar scheinen, um die Krise am Arbeitsmarkt, im Bildungssystem und in den Naturverhältnissen zu verknüpfen. Als Vorschlag wurde formuliert: 1. themenzentriert (Ernährung, Bildung etc.) arbeiten und Kapitalismuskritik als übergreifendes Moment platzieren, 2. Selbstorganisation und Selbstbestimmung (Kritische Unis, Ernährungssouveränität etc.) als Zielrichtung stärken, 3. direkte Aneignung (Hausbesetzungen, "Feldbefreiungen" etc.) fördern.

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